Der Geruch des Geldes

Muessa pa Gherëdeina a uni maniera devente sciche St. Moritz

Teut ora dala zaita:

 

Der Geruch des Geldes

Immer weniger Einwohner, immer teurere Wohnungen, immer unerbittlichere Investoren: St. Moritz verkauft seine Seele.

Doch der Widerstand im berühmtesten Kurort der Welt wächst.

 

Doch was jetzt in St. Moritz abgeht, hat mit einem vernünftigen Umgang mit Geld und öffentlichem Gut wenig zu tun. Peter Berry der Vierte, wie er sich nennt, ist Arzt. Doch häufiger als gegen Grippe kämpft der Internist inzwischen gegen Spekulanten, Trägheit und opportunistische Leisetreterei. Und dies mit allen Mitteln: Hochschulexpertisen und Unterschriftensammlungen Berry sagt: »The spirit is gone. Alles ist verproduktifiziert und nivelliert.« Und auf raschen Profit aus. Ein Traditionshotel nach dem andern schließt seine Pforten: Der Umbau in Luxus-Eigentumswohnungen bringt nicht nur sofort Geld, sondern auch viel. Die Wohnungen in den Hotels Albana und Post waren verkauft, bevor noch die Pläne gezeichnet waren. Jetzt umfängt die Fassade des »The Murezzan«, wie das Etablissement neu heißt, von sibirischer Lärche eingekleidet, einem Holz, das sich selbst bei minus 50 Grad nicht verzieht. Weniger eilig als mit dem Kauf haben es die neuen Besitzer mit dem Bezug ihrer Appartements. Selbst in der Hochsaison bleiben ganze Stockwerke leer. Man verbringt das Jahresende doch lieber in Monaco oder bei Freunden in Whistler Mountain.

 

Im Unverstand aller Einheimischen bezeichnen die St. Moritzer das vom britischen Stararchitekten Lord Norman Foster entworfene Werk mal als »Kürbis«, mal als »Rossbollen«. Halt eine weitere Marotte ihrer Gäste, die sich, auf welchem Gebiet auch immer, an Spinnereien übertreffen.

 

Beeindruckt davon, wie schnell sich Kasse machen lässt, zerstückeln auch die privaten Immobilienbesitzer ihr Eigentum und verkaufen es als Appartements. Drei von fünf St. Moritzer Wohnungen sind heute Zweitwohnsitze. Die Einwohnerzahl ist von 5500 auf 4500 geschrumpft, und täglich werden es weniger. »Es tut weh«, sagt ein St. Moritzer, »an den dunklen Fenstern unserer ehemaligen Wohnung vorbeizufahren.« Wie die andern Vertriebenen ist er in eine Nachbargemeinde abgewandert; einige sind gar auf dem Campingplatz gelandet.

Wohnungen, die sich nicht verkaufen lassen, werden an Gastarbeiter und ihre Familien vermietet, die oft zu viert oder fünft in zwei Zimmern hausen. Inzwischen stellen die Portugiesen ein Drittel der St. Moritzer Bevölkerung und 60 Prozent der St. Moritzer Schüler. Auf der Straße fallen sie kaum auf, zumal ihr Portugiesisch wie Romanisch klingt.

Von einem Zweitwohnungs-Stopp wollte keiner der elf Gemeindepräsidenten des Oberengadins etwas wissen. Zu eng sind ihre Bande zu Bau und Wirtschaft. Es brauchte eine Volksabstimmung mit 70 Prozent Ja, damit von 2012 an pro Jahr nur noch 120 statt wie bisher 400 Zweitwohnungen gebaut werden dürfen. Die Angst vor der verknappten Ware lässt die Baukräne noch zahlreicher nicken und die Preise auf neue Rekorde steigen. An der Via Maistra kostet der Quadratmeter Boden mittlerweile 55000 Franken; das ist Platz sechs auf der Weltrangliste.

St. Moritz besitzt, neben dem amerikanischen Aspen, einen eigenen Flugplatz.

Für die Gäste freilich, die jetzt im Viertelstundentakt in Samedan landen, sind solche Kosten Bagatellen. An die dreißig Milliardäre werden über die Festtage erwartet. Die Einwohnerzahl schwillt von 4500 auf 100.000 an. Der Kokaingehalt der Abwässer steigt, der Schadstoffgehalt der Luft erreicht Industriequartier-Werte. An der Via Maistra schauen alle allen beim Shopping zu, taxieren den Promiwert hinter der Sonnenbrille und den Preis des Mantels aus dem Fell einer aussterbenden Tierart. Und nachts glänzen die Lüster in den Hotels und der Lichterteppich der Villen bis fast hinauf zu den Spitzen des Piz Matratz.